Vortrag auf der Tagung
"Innovation, Leistungsmessung und Anreizsysteme in Wissenschaft und Wirtschaft – Governance wissensintensiver Organisationen" an der Technischen Universität München am 14. / 15. Januar 2014.
Die seit den 80er Jahren zunehmende systematische und in der Regel quantitative Erfassung wissenschaftlicher Leistungen sowie die Verwendung dieser Daten für die (Um)Verteilung von notorisch knappen Ressourcen und zur Ausschüttung von Leistungszulagen in der W-Besoldung wird von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern überwiegend kritisch kommentiert: Die Aufgabe humboldtscher Ideale, die Gefährdung der grundgesetzlich verbrieften Freiheit von Forschung
und Lehre, eine sich ausbreitende Evaluitis und die Verdrängung idealistisch-intrinsischer Motivation sind nur vier prognostizierte Folgen der Reform der Professorenbesoldung und einer zunehmenden systematischen Erfassung von Leistungsdaten in der Wissenschaft. Wobei zu konstatieren ist, dass empirische Belege für die häufig als nicht intendierte Effekte beschriebenen Folgen und insbesondere für die Wirkung von Leistungsmessung weitgehend fehlen.
Im Rahmen einer von der Forschungsgruppe Wissenschaftspolitik durchgeführten Evaluation eines Leistungsmessungssystems einer großen deutschen Universität ist bezogen auf die Frage der Wahrnehmung und der Wirkung von Leistungsmessung in der Wissenschaft reichhaltiges empirisches Material entstanden. Die Auswertung dieses Materials legt den Schluss nahe, dass die Eingangs genannten Kommentare nur eine Seite der Medaille zeigen. In der qualitative und quantitative Methoden der empirischen Sozialforschung triangulierend angelegten Evaluation, ist neben halbstrukturierten Interviews mit allen beteiligten Akteursgruppen eine quantitative Onlinebefragung aller an der Universität beschäftigten Professorinnen und Professoren zu den Aspekten Nutzerbewertung, Steuerungswirkung des Leistungsmessungssystems und zur W-Besoldung durchgeführt worden. Die Auswertung der Daten lässt ein differenziertes Bild der Wahrnehmung und der (Steuerungs-)Wirkung von Leistungsmessung deutlich werden: So ist für die W-Besoldung eine hohe Zustimmung zu Leistungszulagen festzustellen, die von der Fächer- und Disziplinzugehörigkeit unabhängig ist. Die Kriterien mit denen die Leistungen erfasst werden, decken sich in weiten Teilen mit den Kriterien und Aspekten der täglichen Arbeit die Seitens der Professorinnen und Professoren für ein funktionierendes Wissenschaftssystem als relevant erachtet werden. Gleichzeitig wird insbesondere in den qualitativen Interviews deutlich, dass Leistungszulagen und Honorierung verschiedener Tätigkeiten durchaus Folgen für das tägliche Handeln zeitigen: So werden beispielsweise Nebentätigkeiten am Rand des wissenschaftlichen Kerngeschäfts über die Universität abgewickelt, um im System der Leistungserfassung zu erscheinen und die Ausschüttung einer Leistungszulage als eine Form der Anerkennung wahrgenommen. Gleichfalls darf nicht verschwiegen werden, dass die Leistungsmessung in der Wahrnehmung der Professorinnen und Professoren auch negative Effekte nach sich zieht: So werden durch die Leistungsmessung universitätsinterne Ungleichheiten zwischen Fächern und Disziplinen tendenziell verstärkt. Die Abbildung der Lehrleistungen wird von Strukturaspekten wie der Größe der Studiengänge und der Nichtberücksichtigung unterschiedlicher Modulstrukturen einzelner Studiengänge überlagert und induziert so die Wahrnehmung der Erfassung als unfair. Ebenso lassen sich Hinweise auf Fehlsteuerungen feststellen, wenn Professorinnen und Professoren angeben auch dann die Betreuung von studentischen und wissenschaftlichen Qualifikationsarbeiten anzunehmen, wenn sie nur bedingt in das fachliche Profil passen und die eigene Arbeitsbelastung schon deutlich überschritten ist. Darüber hinaus müsste die als weitgehend adäquat angesehene Abbildung der Forschungsleistungen durch die Hinzunahme von qualitativen Kriterien verbessert werden um eine systematische Ausnutzung der Leistungsmessung zu erschweren. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Wahrnehmung und die Wirkung von Leistungsmessung in der Wissenschaft differenzierter ist als die Eingangs dargestellten vermuteten Folgen. Dass durchaus eine Zustimmung zu Leistungsmessung und Leistungsbewertung im Allgemeinen festzustellen ist, die für die Messung verwendeten Kriterien sich mit den als relevant erachteten Kriterien der Professorinnen und Professoren über die Fächer- und Disziplingrenzen hinweg weitgehend decken und die Ausschüttung von auch nur kleinen Leistungszulagen als eine Form der Anerkennung wahrgenommen wird. Und es muss auch festgehalten werden, dass die systematische Messung und Bewertung wissenschaftlicher Leistungen nicht folgenlos für das Handeln der Professorinnen und Professoren bleibt, also eine Steuerungswirkung entfaltet.