12.03.14
Vortrag auf der Neunten Jahrestagung der Gesellschaft für Hochschulforschungim Zentrum für HochschulBildung an der Technischen Universität Dortmund am 25. - 27. Juni 2014.
Die eigene Leistung optimieren heißt sich am Punktekatalog orientieren - ein Tabu?
Zur (Aus)Wirkung zunehmender Leistungsbewertung an Hochschulen Ergebnisse einer Evaluation
„Wissenschaft gründet auf Redlichkeit“ Mit diesen Worten beginnen die Empfehlungen zur „Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft. In insgesamt 17 Empfehlungen und der Beschreibung von sieben Problembereichen in der Wissenschaft füllt die DFG das Eingangszitat. Betrachtet man nur zwei der Aspekte, die „Empfehlungen zur Leistungs- und Bewertungskriterien“ (Nr 6) und den Problembereich der „Quantitative Leistungsmessung“ ist das Ergebnis ernüchternd und weit weg von der Realität von Leistungsmessung und Leistungsbewertung in den Hochschulen.
Im Rahmen einer von der Forschungsgruppe Wissenschaftspolitik durchgeführten Evaluation eines Leistungsmessungssystems einer großen deutschen Universität ist reichhaltiges empirisches Material entstanden, dessen Auswertung zeigt, dass die hehren Grundsätze der Freiheit von Forschung und Lehre nur wenig zählen, wenn Geld im Spiel ist, und die weit verbreiteten Auffassung, dass finanzielle Anreize bei Professorinnen und Professoren ins Leere laufen nicht weit trägt.
In der qualitative und quantitative Methoden triangulierend angelegten Evaluation, ist neben Interviews mit allen beteiligten Statusgruppen eine Onlinebefragung aller an der Universität beschäftigten Professorinnen und Professoren zu den Aspekten Nutzerbewertung, Steuerungswirkung und zur W-Besoldung durchgeführt worden. Die Auswertung der Daten lässt ein differenziertes Bild der Wahrnehmung und der (Steuerungs-)Wirkung von Leistungsmessung deutlich werden. Zunächst zeigt die Evaluation, dass die DFG Empfehlung, nach der Originalität und Qualität stets Vorrang vor Quantität haben soll, damit die in dem Problembereich „Quantitative Leistungsmessung“ diskutierten Folgen (publish oder perish) nicht auftreten, keinen Eingang in das Leistungsmessungssystem gefunden hat. Vielmehr ist das System so angelegt, dass belohnt wird, was quantifizierbar ist. Und dies bleibt nicht Folgenlos für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Hochschule. In dem System werden beispielsweise Promotionen honoriert, was folgendes
Verhalten zeitigt: „Da spielen in meinem Fall beispielsweise in letzter Zeit externe Promotionen eine Rolle, die sich aus der Zusammenarbeit mit Wissenschaftler anderer Hochschulen ergeben, wo man Gutachtertätigkeiten hat. Da ist es auch schon vorgekommen, dass ich direkt angeboten habe, wenn ihr da einen Gutachter für euren Doktoranden braucht, würde ich zur Verfügung stehen. Dann geht man eher offensiv als passiv damit um“. Gleichzeitig sind die Professorinnen und Professoren in ihr Kollegium eingebunden, dass aber keinesfalls korrigierende Wirkung hat, sondern die Orientierung an Quantifizierbaren noch verstärkt:
„Dann fängt man an zu sagen, wenn andere Kollegen das machen, warum soll ich das nicht auch machen, und jetzt kuckst du mal, was Punkte gibt und machst das mal. Das ist mir voll peinlich, also ich denke, das wolltest du nie, du wolltest immer gemessen [werden] an dem, wie du das inhaltlich ausgestalten willst“.
Die genannten Beispiele für die Folgen zunehmender Leistungsmessung und Leistungsbewertung stehen in deutlichem Widerspruch zu dem was Wissenschaft ausmachen soll. Die ständige und besten Falls organisierte Skepsis den eigenen Ergebnissen und dem eigenen Handeln gegenüber, wird ebenso unterlaufen wie die Maßgabe, dass die Produktion wissenschaftlichen Wissens überwiegend kooperativ ist: Bei der gemeinsamen Publikation, wird die Honorierung der Leistung unter den Autoren aufgeteilt.
Sich an dem System zu orientieren und so die eigene Leistung zu steigern ist peinlich und öffentlich zu machen, dies zu tun, ist tabuisiert. Auch wenn in den Publikationsorganen der Berufsverbände die grundgesetzlich verbriefte Freiheit von Forschung und Lehre vielfach als gefährdet beschrieben wird, ist dort nicht zu lesen, dass sich die Professorinnen und Professoren an den Katalogen der Leistungsmessungssysteme orientieren.
Gleichzeitig ist eine hohe Zustimmung
zu Leistungszulagen festzustellen, von denen gern behauptet wird, sie würden bei Professorinnen und Professoren ins Leere laufen. Ebenso häufig werden nicht intendierte Effekten ins Feld geführt, deren Spezifikation allerdings selten ist. Nur einer soll genannt werden: In den Interviews wird berichtet, dass Nebentätigkeiten am Rand des wissenschaftlichen Kerngeschäfts jetzt über die Universität abgewickelt werden, um im System der Leistungserfassung zu erscheinen. In einer
strengen Auslegung von „Redlichkeit“ würde dieses Verhalten vermutlich als unredlich bewertet werden und damit die Grundlage der Wissenschaft berühren. Auszusprechen, dass dies längst Realität an den Hochschulen ist, ist ein Tabu.